Ein-Euro-Job ist kein Arbeitsverhältnis

[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. September 2007, Geschäftszeichen 5 AZR 857/06[/themecolor]


§ 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II

Leitsätze der Bearbeiterin:

  1. Die Tätigkeit einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung stellt kein reguläres Arbeitsverhältnis dar. Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II begründen vielmehr

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    ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis.

  2. Die mit diesem öffentlichen Rechtsverhältnis verbundenen Rechte und Pflichten des Hilfebedürftigen ergeben sich aus sozialrechtlichen Regelungen und nicht aus dem Arbeitsrecht.
  3. Die Missachtung gesetzlicher Grenzen bei der Ausgestaltung der tatsächlichen Beschäftigung führt nicht zu einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis, sondern macht die Durchführung der Arbeitsgelegenheit lediglich rechtswidrig.

Problempunkt:

Das BAG hatte in letzter Instanz darüber zu entscheiden, ob die Beschäftigung einer erwerbsfähigen Hilfebedürftigen aufgrund der Vermittlung durch eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) an einen Dritten als Arbeitsverhältnis einzustufen war.

Die Klägerin bezieht Arbeitslosengeld II. Die ARGE des zuständigen Landkreises schlug ihr einen Tätigkeit zur Unterstützung der Raumpflegerin in einer Grundschule vor. Dauraufhin schlossen beide eine Eingliederungsvereinbarung, nach der die Klägerin in einem Umfang von 20 Stunden pro Woche befristet bis zum 31.12.2005 unter Zahlung einer Mehraufwandsentschädigung i.H.v. 1,25 EUR pro Stunde als Raumpflegerin neben anderen, fest angestellten Mitarbeiterinnen tätig wurde. Nach Ablauf der Befristung verlangte sie vom Landkreis als Träger der Grundschule die Entfristung des „Arbeitsverhältnisses“ und Zahlung der üblichen Bruttovergütung für eine Raumpflegerin unter Abzug der erhaltenen Sozialleistungen. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.

Entscheidung:

Auch das BAG war der Ansicht, dass kein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten Landkreis zustande gekommen war. Zu diesem Ergebnis führten im Wesentlichen folgende Erwägungen: Gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II hat die öffentliche Hand erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die keine Arbeit finden, Arbeitsgelegenheiten zu schaffen. Das geschah im vorliegenden Fall durch die mit der ARGE geschlossene Eingliederungsvereinbarung. Hierdurch wird jedoch grundsätzlich kein privatrechtliches Arbeitsverhältnis, sondern ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis geschaffen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Vereinbarung durch einen Verwaltungsakt ersetzt werden kann (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II).

Auch die Einbeziehung eines privaten Dritten (hier: des beklagten Landkreises als Maßnahmeträger) führt nach Ansicht des BAG nicht dazu, dass sich das Rechtsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis verwandelt.

Nicht maßgeblich ist außerdem, wer die Mehraufwandsentschädigung zahlt, denn ein verständiger Erklärungsempfänger kann nicht annehmen, dass sie eine Vergütung im arbeitsrechtlichen Sinne darstellt. Schuldner der Mehraufwandsentschädigung ist immer der Grundsicherungsträger, selbst wenn ein Dritter sie tatsächlich auszahlt.

Darüber hinaus dient die Durchführung der Arbeitspflicht allein der Erfüllung von Rechten und Pflichten des Arbeitslosengeld II-Emfängers gegenüber dem Leistungsträger und nicht etwa – wie in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis – der Erfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Tätigkeit keine zusätzliche, sonder reguläre Arbeit darstellt. Diese Tatsache führt nach Auffassung des BAG lediglich dazu, dass die Durchführung der Arbeitsgelegeneheit rechtswidrig ist. Das gesetzliche Merkmal der Zusätzlichkeit soll nicht die Hilfebedürftigen schützen, sondern die privatrechtlichen Unternehmen vor Konkurrenz.

Konsequenzen:

Private Arbeitgeber, die Ein-Euro-Jobber einsetzten, müssen nicht befürchten, dass sich diese Mitarbeiter zukünftig erfolgreich in ein Angestelltenverhältnis einklagen können. Die Rechtsprechung des BAG ist insoweit eindeutig: Das Beschäftigungsverhältnis wird als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis und nicht als privatrechtliches Arbeitsverhältnis eingeordnet. Dabei kam es für das BAG nicht darauf an, ob die Klägerin eine „zusätzliche“ Tätigkeit verrichtet hatte. Die Richter stellten vielmehr darauf ab, dass die Tätigkeit allein aufgrund der sozialgesetzlichen Vorgaben als öffentlich-rechtliche Bereitstellung einer Arbeitsmöglichkeit zu werten war.

Praxistipp:

Trotz dieser eindeutigen Rechtsprechung sollte jeder Arbeitgeber, der Ein-Euro-Jobber einsetzt, sorgfältig darauf achten, dass die Vereinbarungen, die er mit ihnen trifft, nicht als Arbeitsvertrag und die Beschäftigung nicht als faktisches Arbeitsverhältnis ausgelegt werden können. Darüber hinaus muss richtigerweise Vorraussetzung für den Einsatz sein, dass die verrichteten Tätigkeiten wettbewerbsneutral sind und eine zusätzliche Arbeit darstellen – also den regulären Mitarbeitern nicht deren bisherigen Tätigkeitsbereich streitig machen.

Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 02/08