Konkurrentenklage bei Abbruch des Auswahlverfahrens
[themecolor]Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17. August 2010, Geschäftszeichen 9 AZR 347/09[/themecolor]
Art. 33 Abs. 2 GG
Leitsätze der Bearbeiterin:
- Der öffentliche Arbeitgeber kann ein bereits eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit abbrechen. Die Bewerber haben in diesem Fall keinen individuellen Anspruch auf Fortführung des Verfahrens.
- Hat der Arbeitgeber die Auswahlerwägungen nicht schriftlich dokumentiert, stellt dies einen unheilbaren Verfahrensmangel und zugleich einen sachlichen Grund dar, um das Auswahlverfahren abzubrechen.
- Der sachlich begründete Abbruch eines Auswahlverfahrens erledigt die Konkurrentenklage im Hauptsacheverfahren zwar nicht automatisch. Die Klage kann jedoch in diesem Fall nicht mehr erfolgreich sein, weil die subjektiven Rechte des Klägers untergegangen sind.
Problempunkt:
Das beklagte Land hatte die Stelle des Präsidenten einer Landesanstalt zu besetzen. Die Stelle wurde ausgeschrieben. Der Kläger – der ständige Vertreter des Amtsinhabers – sowie sechs weitere Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes bewarben sich auf den Posten. Der Kläger übernahm ab dem 15. Dezember 2005 die Amtsgeschäfte. Die Hausleitung des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt (im Folgenden: MLU) schloss sich dem Vorschlag der für dieses Verfahren gebildeten Auswahlkommission an und votierte für einen anderen Bewerber, den Konkurrenten des Klägers. Zugleich wurde mitgeteilt, dass das Auswahlverfahren damit abgeschlossen sei. In einem zeitlich nachfolgenden internen Vermerk einer Sachbearbeiterin der Personalabteilung des MLU heißt es wörtlich:
„(…) Nach der vorliegenden Beurteilungssituation ist Herr Dr. H. [der Kläger] der beste Bewerber (…)“.
Die Erfolgsaussichten des Vorschlags des MLU habe danach nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Kläger seine Bewerbung zurückziehe. Dem Kläger wurde dennoch wenig später schriftlich mitgeteilt, es sei beabsichtigt, die ausgeschriebene Stelle mit seinem Konkurrenten zu besetzen. In einem vom Kläger angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren wurde dem beklagten Land untersagt, die ausgeschriebene Stelle bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die ebenfalls anhängige Konkurrentenklage des Klägers zu besetzen. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass die wesentlichen Auswahlerwägungen nicht schriftlich niedergelegt worden waren. Im Februar 2008 wurde das Stellenbesetzungsverfahren dann mit Vermerk der zuständigen Personalabteilung aufgehoben. Das Besetzungsverfahren sei aufgrund der vom Gericht festgestellten erheblichen Verfahrensmängel nicht mehr ordnungsgemäß abzuschließen. Dieser Erklärung schloss sich die damalige Ministerin des LMU vorsorglich an. Das beklagte Land erklärte wegen der Aufhebung des Stellenbesetzungsverfahrens die einseitige Erledigung des Hauptsacheverfahrens, der Konkurrentenklage. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab, das Landesarbeitsgericht gab ihr statt.
Konsequenzen:
Das Bundesarbeitsgericht (im Folgenden: BAG) entschied, dass das die Klage abweisende Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen sei. Zunächst stellte das BAG fest, dass der Beklagte den Rechtsstreit nicht habe einseitig für erledigt erklären können, weil das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen worden war. Eine Partei kann den Rechtsstreit nicht einseitig für erledigt erklären, weil sie (allein) nicht über den Streitgegenstand verfügen kann. In der Sache selbst bezog das höchste deutsche Arbeitsgericht folgende Position: Ein öffentlicher Arbeitgeber kann bei Vorliegen eines sachlichen Grundes ein bereits laufendes Auswahl- und Stellenbesetzungsverfahren jederzeit abbrechen. Dies gilt sowohl für ein Beförderungs- wie auch für ein geplantes Einstellungsverfahren. Die Rechte der einzelnen Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG werden dadurch nicht berührt, so dass im Ergebnis kein einklagbarer Anspruch auf Ernennung besteht. Hierdurch werden die Berufsfreiheit sowie das Recht des einzelnen Bewerbers auf Chancengleichheit nicht verletzt. Im vorliegenden Fall waren auch nach Ansicht des BAG die Auswahlerwägungen des Dienstherrn schriftlich nicht (ausreichend) dokumentiert worden. Dieses Fehlen stellte einen erheblichen nicht heilbaren Verfahrensmangel dar – zugleich einen sachlichen Grund für den Abbruch des laufenden Verfahrens. Das Verhalten des Beklagten – Abbruch des Verfahrens nach Mitteilung des Auswahlergebnisses an die Bewerber – sei auch nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) gewesen. Die Auswahlentscheidung selbst wird nach Auffassung des BAG durch die Mitteilung des Abbruchs des Verfahrens an die einzelnen Bewerber obsolet.
Praxistipp:
Der öffentliche Arbeitgeber ist bei Vorliegen eines sachlichen Grundes jederzeit berechtigt, ein bereits laufendes Stellenbesetzungsverfahren (endgültig) abzubrechen. Ein solcher sachlicher Grund kann bestehen, wenn die Erwägungen zum Auswahlermessen nicht schriftlich niedergelegt worden sind. Dies stellt einen unheilbaren Verfahrensmangel dar. Bewerber auf die ausgeschriebene Stelle sollten parallel zur Konkurrentenklage im Hauptsacheverfahren den Weg über das einstweilige Verfügungsverfahren suchen. Wird das Stellenbesetzungsverfahren vom öffentlichen Arbeitgeber aus sachlichen Gründen im weiteren Verlauf abgebrochen, so ist der geltend gemachte Anspruch auf Ernennung untergegangen. Die Beendigung des Klageverfahrens kann dann sinnvoll sein. Ein Anspruch auf „Vollendung“ des Stellenbesetzungsverfahrens gibt jedenfalls nicht mehr. Der Bewerber kann sich aber an einem gegebenenfalls zu wiederholenden Ausschreibungsverfahren erneut beteiligen.
Katrin Borck
Fachanwältin für Arbeitsrecht
a pharmacie de mes rêves en france au centre de paris
Helvetica, sans-serif; font-size: 14px; line-height: normal;“>Dieser Kommentar wurde veröffentlicht in der Zeitschrift „Arbeit und Arbeitsrecht“, HUSS-MEDIEN GmbH, Heft 06/11